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4/05/2017

Kairo // Berlin No.1
















Um 12

Immer wieder checkte ich die E-mails in meinem Postfach nie hatte ich eine bekommen. Immer wartete ich auf eine Antwort doch hatte ich ja keinem geschrieben, wer sollte da schon antworten. Draußen staubig die Satelliten Schüsseln stapeln sich ungeschickt an den gegenüberliegenden Hauswänden und ich musste an flachgedrückte Pilze denken. Die Kinder aus der islamischen Grundschule nebenan strömen auf den Spielplatz. Die Mädchen stehen in kleinen Gruppen versammelt, eine zeigt den anderen etwa kleines Geheimes, von oben sieht man nur noch ihre dunkelhaarigen Köpfe zu einem Nest zusammengewachsen. Die Jungs spielen Fußball schubsen sich springen ihre Energie verteilt sich wie ein Lauffeuer über den Platz. In zwei Tagen wirst du kommen, über den Spielplatz, du meintest gegen 12 und wenn du sagst gegen 12 dann ist es genau 12. Da wird Mittagspause sein und ich werde dich vom Fenster aus beobachten, dein empfindlicher Körper in gute Kleidung gehüllt, dunkel der Stoff aus festem Material, eine Verbesserung der Hautqualität. Dein Blick wird unsicher sein suchend die dunklen Schatten unter deinen Augen Nebelnachmittage die halb eingezogen Unterlippe das Etikett deines Jackett nach außen gestülpt, die Falte zwischen deinen Augenbrauen ein Schnitt, die unebenen Hautstruktur ein Herbstteich. Das alles werden deine Indizien sein, fein und doch deutlich so viel deutlicher als Du: Ein gutaussehender zeitgenössischer junger Akademiker in den ersten Jahren der Professionalität, verantwortungsbewusst und trotzdem voller Leichtigkeit. Ich werde dir die Nervosität ansehen das dich einer dieser wilden Jungs erwischt zu Boden reist dir seine Caprisonne ins Gesicht spritzt und den Fuß auf deiner Brust abstellt wie auf einer erlegten Beute. Doch es wird alles gut ausgehen für dich, deine guten Schuhe auf den Holztreppen ich weder überlegen ob es übertrieben ist ein paar Stockwerke nach unten in deine Richtung zu gehen weil ich diese halbe Minute wenn du das Haus betrittst bis du vor meiner Wohnugstüre stehst unheimlich finde weil ich den Stoff zwischen deinen Beinen bei jedem Schritt rascheln höre deinen Atmen spüre wie ein Kohlekraftwerk und denke ich würde in dieser halben Minute all deinen verborgenen Schmerz in mich aufnehmen vielleicht weil es der Moment ist in dem du ihn versuchst du verräumen vor mir zu verstecken, in deine Haarspitzen zu schieben, doch ich war schon zu nahe zu geöffnet in der Türe gestanden und habe dein Dunkel im Moment der Umplazierung abgefangen. Du wirst in meine Arme fallen wie ein nasser Sack. Die Pause wird vorbei sein und meine Wohnung ganz still auf die Folter gespannt, ohne Kindergeschrei, voll von dir.  Du wirst dich ungewöhnlich leicht fühlen.